Wendet man sich der Astronomie zu, so sind Mond- und Planetenbeobachtungen die ersten Dinge, mit denen man sich beschäftigt. Die vielen Lehrbücher und moderne Software zeigen bestens, wie die Bewegungen der Himmelskörper zusammenhängen. Oft wartet man auf die Opposition eines äußeren Planeten, wie Mars, Jupiter und Saturn und versucht sich vorzustellen, was die Bewegungen dieser leuchtenden Punkte am Himmel zu bedeuten haben. Vor der Opposition vollziehen die Planeten ihre so genannte Oppositionsschleife und stiften nicht selten Verwirrung. Man muss sich schon darauf einlassen, seine Vorstellung in der Theorie mit den Geschehnissen am Nachthimmel in Einklang zu bringen. Da die äußeren Planeten wesentlich länger für eine Umrundung der Sonne benötigen, überholen wir sie mit unserer Erde regelmäßig. Steht ein solcher Planet auf nahezu einer Linie mit der Sonne und unserer Erde, hat dieser Planet seine Opposition zur Sonne.
Unsere beiden inneren Planeten Merkur und Venus haben niemals Opposition. Da sie sich innerhalb der Erdbahn befinden, überholen sie uns in regelmäßigen Zeitintervallen. Stehen sie in derselben Richtung wie die Sonne, nennen wir diese Stellung Konjunktion. Die Bahnen der meisten Planeten sind zur Erdbahn mehr oder weniger geneigt. Deshalb findet diese Konjunktionsstellung meist oberhalb oder unterhalb der Sonne statt. Auch diese Bewegungen und Konstellationen können wir leicht verstehen, wenn wir dazu eine Grafik oder ein Planetariumsprogramm auf dem PC zur Hilfe nehmen. Sobald wir aber unter freiem Himmel stehen, fällt es nicht selten viel schwerer, sich diese Vorgänge vorzustellen. Und gerade dabei wollen wir gerne ein plastisches Bild dieser Geschehnisse vor Augen haben.
Zu bestimmten Zeiten kommt es aber vor, dass ein innerer Planet genau auf der Sichtlinie zur Sonne seine Konjunktionsstellung hat. Dann sehen wir diesen Planeten als kleinen schwarzen Körper vor der Sonne entlangwandern. In den Jahren 2004 und 2012 war es die Venus, die uns dieses Schauspiel bot. Und im Monat Mai dieses Jahres konnten wir diesen Vorgang mit dem Merkur in voller Länge beobachten. Bei solchen Vorgängen wird unsere Vorstellungskraft kaum gefordert. Denn jetzt sehen wir mit den eigenen Augen, was im Kosmos vorgeht.
Am 9. Mai sollte es also einmal wieder stattfinden, live mitverfolgen zu können, wie unser Sonnensystem mit den Planeten funktioniert. Im Vorstand der AVL hatten wir bereits Ende des vergangenen Jahres diesen Termin in unsere Kalender vermerkt. Natürlich sollte die Öffentlichkeit eingeladen werden. Denn dafür steht die AVL schon seit ihrem Bestehen, nämlich den Menschen der Region solche Vorgänge näherzubringen.
Niemand konnte voraussehen, wie sich das Wetter am 9. Mai gestalten würde. Immerhin soll der Merkurtransit über viele Stunden andauern, so dass bereits Wolkenlücken ausgereicht hätten, den kleinen Planeten vor der Sonne zu beobachten. Als dann wenige Tage vorher der Wetterbericht sehr eindeutig gutes Wetter prophezeite, konnte unsere Planung in eindeutiges Handeln umgesetzt werden. Unsere Himmelsmechanik nimmt leider keine Rücksicht darauf, ob es ein Arbeitstag oder ein Wochenende ist, an denen diese Konstellationen stattfinden. Es war also ein Montag und wer etwas vom Vorübergang des Merkurs vor der Sonne haben wollte, musste sich, sofern er noch in beruflichen Verpflichtungen steht, einen freien Tag nehmen.
Als ich gegen 12:00 Uhr zum AVL-Gelände kam, waren bereits Friedo Knoblauch und Torsten Lietz dabei, ihre Geräte aufzubauen. Es war noch etwas Zeit und so konnten wir alle in Ruhe die notwendigen Vorbereitungen treffen. Den Refraktor in der kleinen Sternwarte hatte ich mit meinem eigenen Sonnenfilter versehen und die Sonne war schnell eingestellt. Die Nachführung lief und meinetwegen konnte es jetzt beginnen. Inzwischen waren auch Eva und Holger Renzow mit kleinem Gerät erschienen und Heinrich Köhler baute sein Schmidt-Cassegrain-Teleskop, natürlich ebenfalls mit Sonnenfilter, auf. Wir hatten also verschiedene Geräte, die mit unterschiedlichen Vergrößerungen das Geschehen vor der Sonne zeigen würden.
Der Besucherandrang hielt sich in Grenzen. Und so waren wir zunächst unter uns, als pünktlich kurz nach 13:11 Uhr der winzige Punkt am östlichen Sonnenrand erschien. Meine Güte, war der winzig!! Natürlich hatten wir uns alle vorbereitet und wussten, welche Größe der Merkur in diesem Moment haben würde. Da wir aber alle vom Venustransit 2004 und 2012 etwas verwöhnt waren, erschien der Merkur dennoch als sehr klein. Von Enttäuschung darüber war aber keine Spur zu verspüren. Ganz im Gegenteil!! Ich selber bin ja eigentlich meist mit ganz anderen Objekten und Ereignissen im Kosmos beschäftigt. Um Planeten und ihre besonderen Konstellationen kümmere ich mich eher selten. Als unser innerer Planet aber den Sonnenrand berührte und schließlich in bemerkenswert kurzer Zeit vollständig vor dem östlichen Sonnenrand erschien, lief mir ein Schauer über den Rücken. Theorie und Praxis sind eben doch Zweierlei. So plastisch erlebt man den Mechanismus unseres Sonnen- und Planetensystems eben doch nur live bei einer derartigen Konstellation – phantastisch!
Inzwischen fanden sich auch die ersten Besucher ein, die natürlich durch die verschiedenen Geräte blickten. Astronomische Optiken, wie es Fernrohre sind, kehren das Bild im Okular um. Das ist immer wieder etwas, was bei ungeübten Beobachtern zu Verwirrungen führt. Je nach Gerät, befand sich der Merkur an einer anderen Position. Denn ein Prismenspiegel, der bei Beobachtungen mit Refraktoren fast immer eingesetzt wird, spiegelt das Bild ein weiteres Mal um eine Achse.
Wir hatten ein unglaubliches Glück mit dem Wetter. Dabei herrschte eine entspannte Atmosphäre, die wir mit den Besuchern regelrecht genossen. Wir, die AVL-Leute und die in kleinen Grüppchen kommenden und wieder abziehenden Besucher. Natürlich fiel auch einmal die Bemerkung eines Besuchers, als er diesen winzigen Punkt vor der Sonne erblickte, dass er nun für so etwas herausgekommen wäre. Die empfundene Enttäuschung konnten wir diesem Besucher nicht nehmen. Die meisten hatten sich aber ein wenig vorbereitet und wussten in etwa, mit was sie rechnen konnten.
Kurz vor 17:00 Uhr befand sich der Merkur auf halber Strecke seines Weges vor der Sonne. Wir wussten, dass wir das Ende des Transits von unserem Gelände in Wührden aus nicht mehr beobachten können. Denn um 20:41 Uhr wäre die Sonne bereits hinter den Bäumen verschwunden. So haben wir den Tag gegen 18:30 Uhr ausklingen lassen. Wie viele Besucher genau kamen, hatte sich niemand gemerkt. Es zog sich eben alles über viele Stunden hin. So haben wir auf den um 17:00 Uhr vorgesehenen Vortrag verzichtet. Es wären eh nur sehr wenige Besucher noch da gewesen.
Insgesamt war es eine typische AVL-Veranstaltung. Die Technik funktionierte, das Wetter war vom Feinsten, die Besucher konnten sehen, was wesentlich war und wir von der AVL hatten dieses eindrucksvolle Erlebnis in einer bemerkenswert entspannten Gesamtstimmung – es war einfach nett. Den Nächsten Merkurtransit wird es übrigens am 11. November im Jahr 2019 geben. Der wird allerdings nur zu Teilen von Europa aus zu sehen sein.
Herzlichen Dank allen Beteiligten. Wie schön, dass es immer wieder gelingt, mit eurer Hilfe derartige Ereignisse den interessierten Menschen der Region zeigen zu können. Ohne euren Einsatz dafür könnten wir solche Veranstaltungen kaum durchführen.
Text: Gerald Willems
Bilder: Holger Renzow, Torsten Lietz, Jürgen Adamczak, Jürgen Ruddek