Wie misst man kosmische Entfernungen?

Wie misst man kosmische Entfernungen?

Heute wird häufig mit Entfernungen von Sternen, Galaxien und ganzen Galaxienhaufen tief im Weltraum umgegangen, als ob man nur einen Zollstock zur Hand nehmen müsste und daran ablesen könnte, wie weit diese Objekte von uns entfernt sind. Dass dies bestenfalls ein Wunschtraum ist, wird sofort klar, wenn man sich die Größenordnungen der Abstände im Weltraum vor Augen hält. Sobald man nämlich über die Grenzen unseres Sonnensystems hinaus geht, macht es keinen Sinn mehr, in uns vertrauten Maßstäben wie Meter oder km zu denken, sondern man muss auf Entfernungsskalen umschalten, die auf der Maßeinheit Lichtjahr (Lj) oder Parallaxensekunde (pc) basieren. Ein Lichtjahr ist die Strecke, die das Licht in einem Jahr zurücklegt; das entspricht einer Distanz von rund 9,5 Billionen km! Eine Parallaxensekunde entspricht 3,26 Lichtjahren! Wie stellen wir es aber an, derartige Entfernungen zu messen?

Zunächst ist da die rein geometrische Parallaxenmethode, die auf dem klassischen Verfahren der Triangulation beruht. Diese lässt sich kurz folgendermaßen beschreiben: Man suche zwei Sterne x und a, von denen man annehmen kann, dass a sehr viel weiter als x von uns entfernt ist und messe z. B. am 1. Januar eines Jahres deren genaue Position am Himmel. Die gleiche Messung wiederhole man ein halbes Jahr später, also am 1. Juli. In diesem halben Jahr hat die Erde ihre Position gegenüber den Fixsternen um den Erdbahndurchmesser verändert. Dadurch erscheint der sehr weit entfernte Stern a zu beiden Daten so gut wie unter demselben Beobachtungswinkel α, der Stern x jedoch unter α + 2φ (s. Abb.). Daraus folgt die Entfernung des Stern x : D = d∙ctg(φ). Die Ermittlung der Parallaxe φ erfolgt gegen den (nahezu) unverän-derten Winkel α des Sterns a. Auf diese Weise lassen sich Entfernungen bis zu etwa 10 000 Lichtjahren bestimmen, das ist sozusagen noch innerhalb unseres kosmischen Wohnstübchens. Darüber hinaus werden die Parallaxen φ zu klein, um noch sicher gemessen werden zu können.

Ein anderes, wesentlich weiterreichendes Verfahren wurde von der Astronomin Henrietta Swan-Leavitt entwickelt. Sie erforschte die so genannten Cepheiden, die in ihrer Helligkeit periodisch schwanken, und stellte dabei fest, dass die Periodendauer der Schwankungen ein zuverlässiges Maß für die absolute Helligkeit, d.h. Leuchtkraft der Cepheiden ist. Da ferner die Helligkeit eines Sterns mit dem Quadrat der Entfernung zu uns abnimmt, und wir die Intensität des uns erreichenden Sternenlichts bis zu einer gewissen Grenze gut messen können, ist es uns möglich, die Entfernung von jenen Sternen zu bestimmen, deren Leuchtkraft wir kennen. Dies setzt allerdings voraus, dass das Messverfahren an Hand bekannter Sternentfernungen zuvor geeicht werden kann. Glücklicherweise befinden sich eine Reihe von Cepheiden in unserem kosmischen Nahbereich, deren Entfernung zuverlässig mit dem Parallaxen-Verfahren bestimmt werden kann. Damit ist es möglich, die Cepheiden-Methode zu eichen, sodass diese Sterne uns nunmehr als “Leuchttürme“ bzw. “Meilensteine“ im All dienen. Dadurch konnten die Astronomen die Entfernungsleiter ein gewaltiges Stück höher steigen. Das Cepheiden-Verfahren erlaubt es nämlich, Entfernungen bis zu etwa 60 Millionen Lichtjahren zu bestimmen. Darüber hinaus sind Cepheiden nicht mehr leuchtstark genug, um noch einigermaßen brauchbare Ergebnisse zu liefern.

Ein extremer Schritt auf der Entfernungsleiter nach oben wurde durch die Erkenntnis gemacht, dass es einen besonderen Typus von Supernovae (SN) gibt, die 1a- Supernovae, die immer (fast) die gleiche, extreme Helligkeit besitzen. Supernovae sind Sternexplosionen, die stattfinden, wenn ein Stern seinen nuklearen Brennstoff verbraucht hat und deshalb seinen inneren Strahlungsdruck gegen die Schwerkraft nicht mehr aufrechterhalten kann. Dies gilt allerdings nur für Sterne deren Masse, die so genannte Chandrasekhar-Grenze von rund 1,46 Sonnenmassen überschreitet. Die Tatsache, dass SN-1a immer die gleiche Leuchtkraft haben, ergibt sich daraus, dass deren Vorläufersterne je einen Kohlenstoff-Sauerstoff-Kern als Weißen Zwerg unterhalb der Chandrasekhar-Masse enthalten. Drumherum haben die Vorläufersterne eine Hülle aus Wasserstoff und Helium, die dem Kern durch nukleares Brennen immer mehr Materie zuführen bis die Chandrasekhar-Grenze des Kerns erreicht wird. Sobald dies der Fall ist, explodiert der Stern und zwar immer mit der so gut wie gleichen Leuchtkraft. SN-1a sind zwar sehr seltene Ereignisse (im Mittel 1 - 2 pro Galaxie in hundert Jahren), jedoch kann man mit Hilfe der modernen Großteleskope so viele Galaxien quasi gleichzeitig beobachten, dass solche Ereignisse in den verschiedensten Entfernungen in vergleichbar kurzer Zeit registriert werden. Die Bestimmung der Entfernung basiert auch hier wieder auf der Helligkeitsabnahme mit dem Quadrat des Abstands zur Lichtquelle. Die Messgrenze, liegt mittlerweile bei größenordnungs-mäßig 10 Milliarden Lichtjahren. Geeicht an der Cepheiden-Methode, können wir damit große Teile des sichtbaren Universums ausmessen, wobei die Genauigkeit natürlich mit wachsender Entfernung deutlich abnimmt.

Autor: Dr. Peter Steffen

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