Sind Neutrinos schneller als Licht ???

Sind Neutrinos schneller als Licht ???

Wie bekannt, kann es nach Albert Einstein keine höhere Geschwindigkeit geben, als die des Lichts. Nun hat aber ein internationales Forscherteam des CERN (Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire) bei Genf in der Schweiz ein Experiment mit Neutrinos gemacht, das darauf hinzudeuten scheint, dass diese Teilchen doch schneller als Licht sein könnten. Neutrinos sind kleinste Elementarteilchen, die, wenn überhaupt ,so gut wie keine Masse haben und sich näherungsweise mit Lichtgeschwindigkeit, aber nach Einstein keinesfalls schneller als Licht fortbewegen sollten. Das Experiment, genannt OPERA (Oscillation Project with Emulsion tRacking Apparatus) bestand darin, dass vom CERN aus Neutrino-Pulse ausgesandt wurden, die im 730 km entfernten Neutrino-Empfangslabor im Gran Sasso-Massiv in den Abruzzen / Italien registriert wurden. Ein extrem genauer Zeitvergleich zwischen Aussendung der Pulse in Genf und deren Empfang in Gran Sasso zeigte, dass die Neutrinos rund 60 Nanosekunden (60 Milliardstel Sekunden) eher eintrafen als es das Licht nach der Theorie hätte tun dürfen. Diese winzige Zeitdifferenz ist für den Laien zwar unvorstellbar klein, für die Wissenschaftler jedoch durchaus erfassbar, allerdings auch nur knapp über der Messgenauigkeit. Das heißt, dass die Neutrinos 0,0025% schneller als das Licht gewesen sein müssten. Dieses unglaubliche Ergebnis wurde von dem Forscherteam im CERN am 23. September 2011 mit der Einschränkung bekanntgegeben, dass die Messungen erst von anderen Forschergruppen bestätigt werden müssten, um als ausreichend gesichert gelten zu können.

Andererseits hat man schon vor fast 25 Jahren eine astronomische Beobachtung gemacht, die dieses irdische Experiment so nicht bestätigt. 1987 wurde nämlich eine Supernova (SN1987a) in der Großen Magellanschen Wolke beobachtet, die mit einem starken Neutrino-Ausbruch verbunden war. Bei Supernova-Explosionen wird allgemein extrem viel elektro-magnetische und Teilchen-Strahlung, die auch Neutrinos in großer Menge enthält, freigesetzt. 1987 hat man nun einen plötzlichen, starken Anstieg der Neutrino-Intensität in mehreren Neutrino-Observatorien gleichzeitig registriert. Daraufhin begann sofort die optische Suche nach dem Ort der Ursache. Etwa 3 Stunden später fand man dann die Supernova in der Großen Magellanschen Wolke, wobei deren Entfernung zu rund 160000 Lichtjahren berechnet wurde.

Wenn man nun annimmt, dass das Licht wie bei OPERA 0,0025 % langsamer als die Neutrinos war, was den 60 Nanosekunden Verzögerung auf der Strecke von 730 km entspricht, dann hätte der zum Ereignis gehörige starke Lichtpuls der Supernova 1987aerst sehr viel später als mit drei Stunden Verzögerung die Erde erreichen dürfen. Dies geht aus der folgenden, einfachen Rechnung hervor:

Das Licht legt in einem Jahr die Strecke von 1 Lichtjahr zurück, also die Distanz von der Magellanschen Wolke zu uns, in etwa 160 000 (= 1,6∙105) Jahren. Nun sollen nach OPERA die Neutrinos 0,0025 %,d. h. um den Faktor 2,5∙10-6schneller als das Licht gewesen sein. Demnach hätte uns auf der Erde das Licht der Supernova 1987a bei gleichzeitiger Neutrino-emission erst 1,6∙105∙2,5∙10-6Jahre = 0,4 Jahre(!), also 146 Tagespäter als die Neutrinos erreichen dürfen. De facto wurde der Lichtausbruch aber schon 3 Stunden später registriert.

Damit können die Neutrinos aber, wenn überhaupt, nur um einen Betrag schneller gewesen sein, der weit unterhalbjeder irdischen Messgenauigkeit liegt. Darüber hinaus muss berücksichtigt werden, dass die Neutrinos mit anderen elektrisch geladenen Teilchen so gut wie nicht wechselwirken und deshalb so gut wie ungestört aus dem explodierenden Stern austreten, was bei Licht nicht der Fall ist. Licht tritt vielmehr durch die Wechselwirkung mit anderen, elektrisch geladenen Teilchen, wie z. B. Elektronen, verzögert und abgeschwächt aus dem Sterninnern aus. Diese Behinderung wird als Opazität bezeichnet. Man kann also davon ausgehen, dass das durch die Explosion erzeugte Licht den Stern später verlassen hat als die Neutrinos. Betrüge diese Verzögerung 3 Stunden oder mehr, so könnten die Neutrinos auf keinen Fall schneller als das Licht gewesen sein. Es liegt nahe nach einem systematischen Fehler bei OPERA zu suchen.

Inzwischen ist der Fehler gefunden worden. Es handelt sich dabei um eine fehlerhafte Zeitsynchronisation, verursacht durch ein nicht ordnungsgemäß eingeschraubtes Lichtleiterkabel. (Sterne und Weltraum 6/12, S.24f).Einsteins Relativitätstheorie ist und bleibt demnach weiterhin gültig.

Autor: Dr. Peter Steffen

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