Wie funktioniert das “Swing-by“ ?
Sie, liebe Leser, haben sicher schon davon gehört, dass einige gestartete Weltraumsonden, um ihr Ziel zu erreichen, erst einmal Schwung bei einem unserer großen Planeten holen. In der angelsächsischen Fachsprache wird dieses “Schwungholen“ als swing-by bezeichnet. Was verbirgt sich aber nun hinter diesem Begriff? Wie kann eine antriebslose Sonde, wenn sie an großen Himmelskörpern vorbeifliegt, sich Schwung holen, also beschleunigt werden? Nun das geht tatsächlich. Wie immer und überall im Weltraum ist dafür die Gravitation des Himmelskörpers, bei dem sich der Flugkörper Schwung holt, und seine Bewegung um ein Zentralgestirn –das ist bei uns die Sonne –verantwortlich.
Zunächst einmalwird eine in das wirksame Schwerefeld eines Planeten gelangende Sonde aufgrund der Gravitation angezogen, also zum Planeten hin beschleunigt. Entsprechend dem Energieerhaltungssatz gibt das Flugobjekt aber beim Verlassen des planetarischen Gravitationsfeldes die beim Einflug gewonnene kinetische Energie wieder vollständig ab. Das Ganze wäre demnach also zunächst nichts anderes als ein Nullsummenspiel, bei dem sich kein Schwung holen ließe. Nun hat allerdings der Planet eine erhebliche Bahngeschwindigkeit um die Sonne herum. Und genau diese Bahngeschwindigkeit ist es, die das Nullsummenspiel aufhebt. Passiert nämlich die Sonde das Schwerefeld des Planeten, kurz nachdem dieser auf seiner Bahnkurve vorbei gezogen ist, wird die Sonde durch die Gravitation zwar genauso zum Himmelskörper hin beschleunigt, zusätzlich aber auch durch die Bewegung des Planeten in Richtung seiner Bahnkurve. Verlässt nun die Sonde nach dem Vorbeiflug am Planeten wieder dessen Gravitationsfeld, so geschieht dies in einer anderen Richtung und mit einer höheren Geschwindigkeit als vor dem “Rendezvous“. Man kann dies als eine Art “Mitnahme-Effekt“ bezeichnen. Dabei entzieht die Sonde dem Himmelskörper kinetische, also Bewegungsenergie, die zur Erhöhung ihrer eigenen Geschwindigkeit führt. Die daraus resultierende Verringerung der Bahngeschwindigkeit des Planeten ist jedoch absolut nicht registrierbar, da der Himmelskörper um viele Zehner-Potenzen mehr Masse als die Sonde hat. Das Ganze lässt sich etwa, wie Figur 1zeigt, veranschaulichen.
Dieser Vorgang erinnert entfernt an einen Radfahrer, der sich an ein ihn überholendes Auto klammert, um es dann nach kurzer Zeit wieder los zu lassen. Auch er nutzt die Bewegungs-energie, in diesem Fall des Fahrzeugs, um seine eigene Geschwindigkeit zu erhöhen. Dabei wird die Fahrtrichtung während der kurzen Zeit der Kopplung vom Auto bestimmt. Außer dem Schwungholen gibt es auch noch die Möglichkeit der Verzögerung. In diesem Fall muss man die Sonde so steuern, dass sie, wie in Figur 2 skizziert, kurz vor dem Planeten dessen Bahn kreuzt.
Swing-bys können dazu dienen, die Flugzeiten von Sonden zu verkürzen. Zum Beispiel erhöhte sich bei Voyager 1 und 2 deren Geschwindigkeit durch ein Swing-by am Saturn um rund 18 km/s. Ohne Swing-by hätte Voyager 2 mehr als doppelt so lange gebraucht, um den Neptun zu erreichen. Übrigens: Die Astronauten von Apollo 13 sind nur wieder durch ein Swing-by-Manöver um den Mond heil zur Erde zurückgekehrt.
Autor: Dr. Peter Steffen