Leben und Wirken des Joh. Hieronymus Schroeter

Johann Hieronymus Schroeter und die Lilienthaler Astronomie

Spricht man über Lilienthal um 1800, dann meint man das Kloster St. Marien, das große Amtshaus und die paar Häuser einer Siedlung am Rande des sog. Teufelsmoores. Des Moores, welches J. H. Schroeter in seiner Korrespondenz mit Lichtenberg in Göttingen des Öfteren die „Pontinischen Sümpfe" nannte. Ein Chronist schrieb: „Bei nasser Witterung, besonders im Frühling und im Herbst, von Bremen nach Lilienthal zu fahren: das unternahm nicht jemand, der nicht etwas beherzt im Fahren war oder nicht Unbequemlichkeiten missachtete."

Im Jahre 1781 war in diesem Flecken am Moorflüsschen, welches den Namen Wörpe trägt, der Posten eines Amtmannes frei geworden. Es wird behauptet, J. H. Schroeter habe die Stelle wegen ihrer Abgeschiedenheit angenommen, um dort in Ruhe seiner Leidenschaft, der Astronomie, nachgehen zu können.

Wer war Schroeter und was hat er seiner Nachwelt hinterlassen? Darf man überhaupt von einer Lilienthaler Astronomie sprechen, und durch wen wurde sie geprägt?

Johann Hieronymus Schroeter

Am 30. August 1745 in Erfurt/Thüringen geboren, studierte Schroeter zuerst Theologie, bevor er sich in Göttingen der Rechtswissenschaften annahm. Dort lehrte Abraham Gotthelf Kästner Physik und Astronomie.
Schroeter hörte dessen Vorlesungen, freundete sich mit Kästner an und besuchte regelmäßig die Göttinger Sternwarte.

Als Amtsschreiber verschlug es Schroeter im Anschluss an sein Studium nach Polle an der Unterweser, danach nach Herzberg im Harz. Im Jahre 1777 folgte Schroeters Berufung zum Kammersekretär nach Hannover (König Georg III regierte von England aus).

In Hannover lernte Schroeter die Familie Herschel kennen und schätzen. Wilhelm Herschel, ehemals Musiker, und nach seiner Entdeckung des Planeten Uranus im Jahre 1781 königlicher Astronom in England, wurde Schroeters großes Vorbild.

Schroeters ernsthafte Beschäftigung mit der Astronomie begann im Jahre 1779, als er einen 3-füßigen Refraktor von Dollond erwarb und damit seine ersten Sonnen- und Mondbeobachtungen machte.

Die großen Gebäude aus der Klosterzeit im Amtsgarten hinter der Kirche St. Marien boten für Schroeter gute Voraussetzungen, eigene große Fernrohre zu konstruieren und aufzustellen (Rekonstruktion von Dr. Felix Lühning, Kiel).

Schroeter begann bald mit dem Bau von zwei kleinen Teleskopen, 4- und 7- füßig, zu denen er einige mechanische Teile sowie die Spiegel von Wilhelm Herschel aus England kaufte. Eines der Geräte war nach der von Herschel entwickelten Montierungsart azimutal montiert (siehe Abb. rechts). Für dieses Gerät hat Schroeter eine sehr detaillierte Beschreibung – quasi als Bauanleitung – hinterlassen. Alle später in Lilienthal gebauten Instrumente waren zumindest in der Feinbewegung an diese Montierungsart angelehnt.

An Schroeters Lebensende waren 10 eigene Spiegelfernrohre entstanden. Unter ihnen der sog. 27-Füßer, das damals größte Fernrohr auf dem europäischen Kontinent.
Mit den 4- und 7-füßigen Geräten beobachtete Schroeter die Sonne und die Planeten, vor allen Dingen aber den Mond.

Ein Großteil seiner Mondbeobachtungen, zusammengefasst in dem zweibändigen Werk „Selenotopgrafische Fragmente", wurden in den Anfangsjahren Schroeters astronomischer Tätigkeit mit diesen Instrumenten gemacht (siehe Mondzeichnungen: Schroeter, Tabelle XVITabelle XXVII). Mit den „Fragmenten" wurde Schroeter als hervorragender Mondforscher bekannt. Selbst Goethe schätzte die Selenotopografischen Fragmente als unentbehrliches Hilfsmittel bei der Beobachtung des Erdtrabanten.

Mit der neuen und verbesserten Generation von Fernrohren entwickelte sich auch ein neuer Zweig der Astronomie: die Erforschung der physischen Beschaffenheit der Planeten unseres Sonnensystems.

Aber wohl gerade weil sich der Amtmann aus Lilienthal zu sehr auf die Erforschung der Oberflächen von Sonne, Mond und Planeten fixierte, liegt wohl begründet, warum der „Amateurastronom von Lilienthal", wie er auch genannt wird, bald nach seinem Tode in Vergessenheit geriet; ja sogar von Mädler, dem Mondforscher nach Schroeter, heftig kritisiert und attackiert wurde.

Schroeter war sicher seiner Zeit voraus, auch wenn er bei der Interpretation seiner Beobachtungen manchmal über das Ziel hinaus schoss. Die Projektion des irdischen Daseins auf andere Planeten und deren Monde resultierte aus Schroeters festem Glauben, dass das Sonnensystem und das Universum schlechthin einen einzigen Schöpfer – nämlich Gott – hat.

Der Schöpfungsakt war für Schroeter eine gezielte, wohl geplante Tat. Warum sollten dann nicht auch Menschen oder erdähnliche Wesen auf dem Mond und den Planeten leben, wenn man auf diesen Berge und Täler, Krater und Wolkenformationen erkannte? Auch Herschel glaubte noch, dass die Sonne bewohnt sei!

Schroeter stellte Überlegungen zum Klima und dem Wettergeschehen auf unseren Nachbarwelten an. Auf der Venus sah er hohe Berge in den Polregionen, erkannte dunkle Flecken auf ihrer Oberfläche, respektive der Wolkenhülle, und versuchte daran die Rotationszeit des Planeten zu ermitteln.

Darüber ging er sogar einem heftigen Disput mit seinem einstigen Vorbild, Wilhelm Herschel, nicht aus dem Wege. Zu seinen Lebzeiten hochverehrt und durch Besuche namhafter Persönlichkeiten, wie Chladni, Gauss oder Olbers, um nur einige zu nennen, geehrt, erkannten einige seiner Zeitgenossen, wer Schroeter wirklich war.

Eine der schillernden Persönlichkeiten der Astronomieszene, der Astronom am Hofe Sachsen-Gotha, Franz Xaver von Zach, verfasste eine Laudatio auf Schroeter, abgedruckt mit Schroeters Portrait in den von ihm begründeten „Monatlichen Korrespondenzen für Erd- und Himmelskunde".

„Es ist in Deutschland noch immer ein seltner Fall, dass die erhabene Sternkunde thätige Liebhaber findet. Noch seltener ist die Erscheinung, dass Privatmänner einen beträchtlichen Theil ihres Vermögens auf die Anschaffung kostbarer Werkzeuge verwenden, die sie nicht etwa zum Staate, als gelehrten Hausrath anschaffen, sondern unermüdet und beharrlich mit dem glücklichsten Erfolge zu nützlichen Himmels-Beobachtungen und zur Erforschung neuer Wahrheiten gebrauchen, welche unmittelbar zu weiteren Fortschritten in der Weltenkunde führen. Es gibt einen solchen Mann in Deutschland, auf den das Vaterland stolz sein darf, und dieser ist der, dessen wohlgetroffenes Bildnis das gegenwärtige Heft unserer Zeitschrift ziert."
Schroeters viele Instrumente waren die Voraussetzung für seine unermüdliche Beobachtertätigkeit!

Möglicherweise über die Vermittlung von Lichtenberg kam im April 1792 ein als kauzig bezeichneter Gelehrter aus Kiel zu Schroeter nach Lilienthal:

Johann Gottlieb Friedrich Schrader

Johann Gottlieb Friedrich Schrader

Geboren wurde Schrader im Jahre 1763 in Salzdahlum bei Wolfenbüttel. Er hörte Vorlesungen in Kiel und Göttingen in den Fächern Naturlehre, Chemie und Physik und interessierte sich auch für die Astronomie. Im Jahre 1790 erhielt Schrader einen Posten, zuerst ohne Honorar, später als Professor, an der Universität in Kiel und war für seine selbst finanzierten physikalischen Experimente bekannt. Schrader betrachtete die Physik als eigenständige Wissenschaft. 

In den „Göttingischen Anzeigen von gelehrten Sachen..." vom August 1792 wird von Lichtenberg berichtet: „Herr Schrader, itzo in Kiel, vorher hier studieret hat, bestrebte sich schon seit einiger Zeit, Spiegelteleskope nach Herschels Art zu machen. Er fand es nützlich, dieses Geschäft in Herrn Oberamtmann Schroeters Haus und unter dessen Mitwirkung vorzunehmen, wozu er königlichen Urlaub erhielt."

Schraders Zeit in Lilienthal muss als eine sehr fruchtbar angesehen werden. Möglicherweise hat Schroeter mehr davon profitiert als Schrader, denn er hätte ohne ihn wohl nie seine großen Teleskope bauen können. Mit Schrader begann die Zeit des Lilienthaler Fernrohrbaues, der später von Schroeters „rechter Hand", dem ehemals als Amtsgärtner tätigen Harm Gefken fortgesetzt wurde.

Schrader dagegen hat es zeitlebens nicht richtig geschafft, seine in Lilienthal erworbenen Kenntnisse im Fernrohrbau Gewinn bringend anzuwenden. Das Verhältnis Schroeter/Schrader war von einer freundschaftlichen, respektvollen Hochachtung geprägt. Schroeter lobte Schraders „von vorzüglichen chemischen und andern reichhaltigen Kenntnissen geleitet Beharrlichkeit".

Der einsilbige und schwerhörige Mann hatte ihn zwar viel Zeit und Geld gekostet, aber ihm das Wissen hinterlassen, selbst Spiegel zu gießen und zu bearbeiten. Schrader muss in Lilienthal viel experimentiert haben, bevor er die richtige Legierung für die Metallspiegel gefunden hatte, die auch Arsen enthielt, um den Teleskop-Spiegeln ein hohes Reflexionsverhalten zu geben.

Unter Schrader entstanden mehrere 7-füßige Spiegel, zwei 12-Füßer, von denen später einer Schroeters „13-füßiges Koloss" wurde. Auch der erste Spiegel für das 27-füßige Teleskop sowie Schraders 26-füßiger Spiegel  entstanden in der Zeit vom April 1792 bis zum Januar 1793, in denen Schrader in Lilienthal war. „Fünf Wochen lang ist er fast Tag und Nacht in seiner Figur aus dem Groben bearbeitet worden und wird seit ein paar Tagen in seinem zweckmäßig und zuverlässig vorgerichteten Maschinenwerk levigiert" – und weiter – „Gestern habe ich seine Focallänge zum ersten Mal, aber noch ohne Röhre probiert... Er wird eine sehr hohe Politur annehmen, die Herr Professor Schrader übernommen hat", berichtete Schroeter über den Schliff des 50cm-Spiegels im Januar 1793 nach Göttingen. Im April 1793 lieferte Schrader ein komplettes 7-füßiges Spiegelteleskop bei Lichtenberg in Göttingen ab. Es war für Wilhelm Knebel bestimmt.
Knebel war Hannoverscher Gesandter am Württembergischen Hof und ein Halbbruder des „Weimarischen Urfreundes", Karl-Ludwig von Knebel, Hofmeister am Weimarer Hof und Goethefreund.

Nach Wilhelms Tod erhielt Karl-Ludwig im Jahre 1799 das Instrument aus dem Nachlass seines Bruders. Es kam in Goethes Hände, der das Fernrohr verkaufen wollte und zwischenzeitlich von seinem Gartenhaus aus den Mond und die Planeten beobachtete.
".... auch einige Observationen über die Mondsgegenden machen und dasjenige was man sieht mit den Schröderschen Selenotopografischen Tafeln vergleichen, welches das Beste wäre, um Liebhaber von der Wirkung des Teleskops zu überzeugen" ist ein Textauszug aus Goethes Bemühungen, für das Gerät einen Käufer zu finden.
Goethe fertigte zu dem Gerät eine Expertise an, nach der es möglich ist, das wunderschöne Instrument eindeutig zu identifizieren. Doch er fand keinen Käufer, weil das Instrument zu teuer war. Schließlich wurde das Teleskop im Jahre 1813 an die mit Goethes Hilfe neu gegründete Sternwarte in Jena gebracht. Es ist heute Eigentum des Astrophysikalischen Instituts der Friedrich-Schiller-Universität in Jena.

Zur Tagung der Astronomischen Gesellschaft im Jahre 2000 in Bremen und Lilienthal war der „7-füßige Schrader" als Leihgabe für ein Jahr in der Kreissparkasse Osterholz, Filiale Lilienthal, ausgestellt. Es ist das erste von Schrader produzierte Spiegelfernrohr und das einzig noch vorhandene Gerät aus der Zeit des Lilienthaler Fernrohrbaues.

Die Astronomische Vereinigung Lilienthal besitzt einen funktionsfähigen Nachbau des Gerätes, mit dem Himmelsbeobachtungen nach historischen Vorgaben durchgeführt werden können. 

Im Jahre 2000 feierte die Lilienthaler Societät, jene Vereinigung von Astronomen, die sich auf die Suche nach dem damals noch fehlenden Planeten zwischen der Mars- und der Jupiterbahn machten, ihr 200. Jubiläum. 

Nach dem Masse-Abstandsgesetz, das den Namen Titius-Bode‘sche Reihe trägt, fehlte ein Planet zwischen der Mars- und Jupiterbahn, der bis zum Jahre 1800 nicht gefunden worden war. Von Franz Xaver von Zach war ein Verfechter der Regel von Titius und Bode und hatte sich bereits auf die Suche nach dem unbekannten Sonnenbegleiter gemacht. Die Arbeit war für einen Astronomen jedoch zu gewaltig.

Während seines Besuchs bei Schroeter in Lilienthal im September 1800 kam es zur Gründung der Lilienthaler AG mit Schroeter als Präsidenten. Die Ansichten der Historiker divergieren, ob die Vereinigung von langer Hand geplant war oder mehr zufällig zu Stande kam. 24 Astronomen europaweit wurden ausgelobt, die 12 Areale der Sternzeichen des Tierkreises zu durchmustern. Unter ihnen waren Olbers, Harding und von Ende aus dem Bremer Raum. Ob der italienische Astronom Piazzi bereits von seinem Glück der Zugehörigkeit zu einer illustren Astronomenrunde wusste, als er am 1. Januar 1801 ein Sternchen der 8. Größenklasse im Sternbild Stier entdeckte, welches er zuerst für einen Kometen hielt, ist nicht sicher.

Das Objekt ging verloren und wurde nach Bahnberechnungen von Gauss im Dezember 1801 von von Zach in Gotha wieder gefunden. Olbers in Bremen entdeckte den Kleinplaneten, der den Namen Ceres erhielt, sicher im Januar 1802 wieder. Wilhelm Mathias Olbers fand am 28. März des Jahres 1802 in Bremen einen zweiten kleinen Planeten, der Pallas genannt wurde. Später – am 29. März 1807 das 4. Objekt, das auf den Namen Vesta getauft wurde. Dazwischen liegt die Entdeckung des 3. Planetoiden, den Karl-Ludwig Harding am 2. September im Jahre 1804 fand – und zwar in Lilienthal mit einem der Schroeterschen Fernrohre.

Die Überraschung muss damals groß gewesen sein, nicht nur einen Planeten gefunden zu haben sondern gleich vier kleine Objekte, die auf Bahnen zwischen den Planeten Mars und Jupiter die Sonne umkreisen. Wilhelm Olbers vermutete, dass evtl. ein ehemals großer Planet zerplatzt sein könnte. Schroeter schreibt dazu – und wir sollten seine Worte nach unserem heutigen Kenntnisstand verifizieren: „Statt des vorausgesagten achten Hauptplaneten hat, wie uns nun die Erfahrung überzeuget und so weit bis jetzt die Entdeckungen vorgedrungen sind, die Allmacht vier kleine Planeten aus der chaotischen Materie entwickelt und ausgebildet".

Weitere Persönlichkeiten mit Einfluss auf Schroeter waren: 

Karl-Ludwig Harding

Geboren in Hamburg, war Harding als Erzieher des Schroeter-Sohnes Johann-Friedrich nach Lilienthal gekommen. Der Astronomie-interessierte Mann wurde später Inspektor der Lilienthaler Sternwarte. Im Jahre 1805 erhielt er einen Ruf nach Göttingen, um dort eine neue Sternwarte zu bauen. Seine Liebe zu Lilienthal erlosch nie; es zog ihn immer wieder in den Ort am Rande des großen Moores zurück, zumal sein Verhältnis zu Gauss schwierig gewesen sein soll.

Wir können in Schroeters Beschreibungen über Beobachtungen nachlesen, welch engagierter Beobachter Harding gewesen sein muss. Wenn Schroeter bei eisiger Kälte schon aufgegeben hatte, stand Harding noch immer am Fernrohr.

Wilhelm Mathias Olbers

Geboren 1758 in Arbergen bei Bremen, studierte Olbers in Göttingen Medizin, wurde Arzt in Bremen und Astronom als Autodidakt. Während Schroeter der gewissenhafte und genaue Beobachter der Planeten war, faszinierten Olbers vor allem die Kometen und ihr Lauf am Firmament. Die von ihm entwickelte Methode zur schnellen Berechnung einer Kometenbahn ist noch heute im Gebrauch. Olbers bewegten auch die Fragen, warum der Nachthimmel dunkel ist, angesichts der vielen Sterne im Universum.
Nicht nur, dass sein Name mit der Entdeckung der Planetoiden Pallas und Vesta verbunden ist; das sog. Olbers´sche Paradoxon konnte erst mit den Mitteln der modernen Himmelsforschung befriedigend beantwortet werden.

Olbers war sicher mehr der Theoretiker als es ein Schroeter je sein konnte, und wir treffen bei Schroeter auf Textstellen, die belegen, dass Olbers ihm bei Berechnungen geholfen haben muss. Zuweilen soll es bei der Interpretation von Beobachtungsergebnissen zu Disputen zwischen Olbers und Schroeter gekommen sein.
Olbers erwähnt einmal in der Korrespondenz mit Gauss, dass Schroeter die Leistung seiner Spiegelteleskope überschätzt habe. Olbers und Schroeter verkörperten ein Zentrum der Astronomie zur Goethezeit.

Olbers dagegen hielt es für seine größte Leistung, Wilhelm Bessel für die Astronomie entdeckt zu haben. Friedrich Wilhelm Bessel, geb. 1784 in Minden, brach auf Anraten von Olbers eine gut dotierte Ausbildung als Kaufmann in Bremen ab. Von 1806 bis 1810 war er bei Schroeter als Assistent beschäftigt, bevor der Mann ohne Abitur den Ruf nach Königsberg zum Aufbau eines Observatoriums erhielt. Gerade erst 26 Jahre alt, wurde Bessel Professor und erlangte mit der Messung der Parallaxe von 61-Cygni Unsterblichkeit. Es gelang ihm mit dem Heliometer, die Entfernung eines Fixsternes zuverlässig zu bestimmen. Bessel begründete eine neue Epoche der praktischen und rechnenden Astronomie.

Schroeter - was war er wohl für ein Mensch?

Von der Figur her klein, behauptet er von sich, gesundheitlich anfällig zu sein. Olbers war sicher auch manchmal sein medizinischer Berater. Genau war er in der Astronomie, wie sicher auch in seinen Amtsgeschäften. Seine Beobachtungsbeschreibungen entbehren jedoch nicht einer Redundanz, so, als brächte eine Wiederholung eine größere Gewichtung. Aber auch Zweifel werden geäußert, Widersprüche erzeugt. Der Wahrheit so nahe wie möglich zu kommen scheint oberstes Gebot für Schroeter gewesen zu sein.
Auch für ihn im Augenblick noch nicht Erklärbares hat seinen Sinn, denn es gehört bei Schroeter zum Schöpfungsakt. Keine Beobachtung – heute diese, morgen jene – bleibt scheinbar dem Zufall überlassen: Sie wird sauber geplant und ausgeführt. Erst die Menge der Einzelleistungen scheint dem Ergebnis würdig zu sein.

Eines seiner Beobachtungsgeräte war nicht nur ein 7-füßiges Teleskop – nein, es war der 7-füßige Schrader oder der 7-füßige Herschel, der 10-füßige Dollond oder der 20-füßige Gefken. Er nannte stets den Erbauer des Gerätes.

Gleichermaßen genau und mit Respekt vor der Leistung hielt Schroeter es mit seinen Mitbeobachtern, seinen Gehilfen und Freunden: Beobachtungen kamen von Harding, Olbers, Gauss, Tischbein, Chladni, Drechsler, Schrader oder von Zach. Wohl wissend, dass sie nur vorläufig sein konnten, bezeichnete er seine Beobachtungsergebnisse als Fragmente: Selenotopografische, Kronografische, Hermografischen, Aphroditografische Fragmente.

Nur manchmal kann man seinen Ärger über eine verpasste Beobachtung spüren:
Wenn Schroeter wegen eines Geburtstages zu einer auswärtigen Fete eingeladen war, oder er das Schlagen der Pendeluhr für eine Durchmesser-Messung nicht hören konnte, weil Kähne auf der nahe liegenden Wörpe unterwegs waren.

Die Zweifel Herschels an Schroeters Beobachtungen von hohen Gebirgen auf der Venus brachten den Astronomen aus Lilienthal fast zum Abbruch der freundschaftlichen Beziehungen.

Eine spektakuläre Entdeckung ist Schroeter zeitlebens versagt geblieben. Er war nicht nur ein begnadeter Beobachter, auch wenn er manchmal über das Ziel hinaus schoss. Viele seiner Schlussfolgerungen treffen den Kern der Dinge. Nicht umsonst sind seine großartigen Marsbeobachtungen, die er zu Lebzeiten nicht mehr veröffentlichen konnte, fast 100 Jahre nach ihrer Aufzeichnung von der Sternwarte in Leiden als Areografische Beiträge veröffentlich worden. Das Manuskript zu den Marsbeoachtungen – und die Zusammenfassung muss auch für Schroeters Gesamtwerk gelten - endet mit den Worten:
„Viele Wahrheiten der Kosmologie sind bis jetzt noch in Schleier gehüllt; aber wenn erst recht viele praktisch gesammelt, ihre Abweichungen von der Theorie geprüft, und manche irrige Voraussetzung der letztern dadurch gefunden werden sollten, dann wird vielleicht ein einziger kühner und großer Gedanke viele allgemeine Entwicklungen der Weltenkunde zur Folge haben. Und so schließe ich denn auch hier mit dem Wunsche, dass auch die gegenwärtige Sammlung einiges dazu mit beitragen, und die unendliche Allmacht und ihre großen Naturwerke von neuem verherrlichen möge."

Wäre auch nichts von all seinen Bemühungen geblieben, unsere Nachbarwelten in einem anderen Licht zu sehen und der Astronomie damit neue Impulse gegeben zu haben:
Auf Schroeters Sternwarte ist Astronomiegeschichte geschrieben worden. Sein Name ist zu Recht in die Annalen der Astronomie eingegangen – zumindest mit dem Mondkrater Schroeter und durch jenen 160 km langen Lavakanal in der Nähe des Kraters Aristarch, der den Namen Schroeter-Rille trägt.

Von Zachs eingangs zitierte Laudatio auf Schroeter endet mit dem Satz: „Herschels und Schroeters Namen werden wie Castor und Pollux am Himmel glänzen, so lange Sterne am Firmament funkeln, so lange die Nachwelt nicht auf die niedrigste Stufe der Menschheit zurücksinken, und das, was ihre höchste Würde ausmacht, nicht mehr ehren wird."

verfasst von H-J. Leue

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